Digitalisierung soll nicht zum Zweck mutieren, sondern ein Mittel zum Zweck bleiben. Einige grundsätzliche Gedanken werden anhand einer satirischen Schilderung eines Tagesablaufs eines nicht mehr ganz jungen Studenten im Jahre 20xx illustriert. Die strategische Partnerschaft der Universität Basel mit der FH Alpha Centauri hat dem kulturanthropologischen Seminar starken Auftrieb verschafft. Die neu gegründete Fakultät für Frageologie forscht beständig danach, was noch alles erfragt werden könnte. Digitale Transformation ist, wenn man trotzdem lacht…
Mein erstes Studium liegt fast ein Vierteljahrhundert zurück. Der heutige Studienbetrieb unterscheidet sich sehr stark vom damaligen… Kaum vorzustellen, wie er sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ändern wird? Allerdings ist 2030 fast zu nahe an 2022. Als Stadtplaner weiss ich, in welchen Zeithorizonten geplant wird und Stadtvisionen projiziert werden (z.B. Basel 2050), vielleicht um niemanden heute und jetzt weh zu tun.
Die Universität der Zukunft wird eine digitale sein, das ist keine Frage. Die durch die Pandemie beschleunigte Digitalisierung hat auch bei bis anhin digital weniger aktiven Leuten den Bann gebrochen. Mein Studienbeginn erfolgte mitten in der Pandemie….
Als Raumplaner scheint es mir wichtig, dass der «öffentlicher digitale» Raum nicht allein Mark Zuckerberg und co., also ausschliesslich der Privatwirtschaft überlassen werden darf. In Zukunft braucht öffentliche digitale Infrastrukturen, die im Interesse aller erstellt werden. Eine Digitalisierung, die nicht normiert, sondern die Vielfalt fördert. Dazu auch Universitäten, die Inkubatoren und per se co-work spaces für neue Ideen sind und nicht nur Laborsimulatoren. Lebenslangen lernen ist mittlerweile selbstverständlich geworden.
Für manche Lebensentwürfe und auch Lebensorte (z.B. abgelegene Randregionen) bietet Digitalisierung die Chance, sich neu zu positionieren, zu erfinden, zu profilieren.
Digitalisierung soll aber nicht zum Zweck mutieren, sondern Mittel zum Zweck bleiben. «Soviel Digitalisieren wie nötig, aber nicht so viel wie möglich», sagte irgendjemand…
Nach diesen eher grundsätzlichen Gedanken hier nun etwas satirischer:
Ein Tagesablauf an der Uni im Jahre 20xx:
Nachdem ich schon seit dem frühen Morgen an einem online-Seminar teilgenommen habe, dröhnt mir der Kopf. Durch den VR Helm wurde viel Wissen direkt in mein Hirn geloadet. Die Kontaktstellen, wo die Sensoren an meinem Kopf befestigt waren, sind noch etwas klebrig. Vorhin habe ich grad wieder mal die Kaffeetasse auf dem Schreibtisch ausgeschüttet. Mit dem VR Helm stosse ich immer wieder etwas um…
Ach, diese gigantische Wolke des Wissens. Früher war es nur im Winter richtig neblig in Zürich, heute kommt mir alles immer etwas neblig vor…. Der beständige Strom von Daten und Infos macht mich ganz schwurbelig.
Während der Diskussion im VR Space gesellten sich auch unsere ausserirdischen
Austauschstudierenden der intergalaktischen Fachhochschule Alpha Centauri dazu. Elon Musk, der legendäre Marseroberer, liess sich im Alter auf diesem Planeten nieder.
Da ihm nichts entgehen konnte, entdeckte er schliesslich, das, was alle immer vermuteten… die Marsmenschen. Also Menschen ist zu viel gesagt, es handelt sich eher um ein plasmatisches fluidisches Wesen, das immer wieder neue Gestalt annimmt und inkonsistent (oder inkontigent?) ist. Es ist mir grad recht, dass ich diesen Marsern nur virtuell begegne. Ihr grünes Schimmern und das hohe Piepsen sind wirklich gewöhnungsbedürftig. Aber ich soll ja nicht ausgrenzen, sonst gibt’s eine digitale Moralpredigt meines Robotik-Assistenten, Mika. Er kann nämlich auch meine Gedanken lesen. Es heisst, sie hätten deutlich höhere Intelligenz als unsere KI-Roboter*innen, aber dies macht sie auch nicht ansehnlicher.
Während der Diskussion wurde ich von Mika unterstützt. Er schlägt mir im hui Stichworte, Zitate oder einzelnen Textstellen vor, die mir gar nicht eingefallen wären…und dann macht er zwischendurch sogar gute Witzchen…ich komme mir manchmal richtig dumm vor.
Die strategische Partnerschaft der Universität Basel mit der FH Alpha Centauri hat auch der dem kulturanthropologischen Seminar gutgetan. Die Kollegen*innen von Mars (eigentlich sind sie ja geschlechtsneutral, aber der guten Form halber will ich sie doch so nennen) scheinen auf unsere Forschung über den Alltag, über Rituale, Gewohnheiten und andere Banalitäten völlig abzufahren. Sie überhäufen das Seminar geradezu mit Mitteln, so dass vor einigen Jahren die Fakultät für «Frageologie» an der Universität Basel gegründet wurde. Die Frageologie forscht beständig danach, was noch alles erfragt werden könnte. Wir gehören mittlerweile zu den grössten Fakultäten.
Offenbar stehen sie auf menschliche Archäologie und lieben unsere Art Fragen zu stellen. Sie, die alles immer sofort wissen und berechnen, haben auf unsere Fragen selten eine Antwort. Also haben wir doch etwas, was Ihnen fehlt. Wir Kulturanthropologen sind offenbar so mega eigenartig, dass sie uns ins plasmatische Herz geschlossen haben, auch wenn unsere Interaktion zuweilen an die Grenzen der intertellurischen Kommunikation stösst. Jede*r, der/die hier arbeitet, weiss, dass gute Fragen nicht einfach so vom Himmel fallen…
Ich selbst bin mittlerweile definitiv in die Jahre gekommen, genauer 113 Lenze, dank modernster Medizin. Noch in den 50ern hätte ich mir das nie vorstellen können oder wollen. Was mich geistig jung hält, ist diese beständige Suche nach Fragen….
Eigentlich brauche ich gar nicht mehr an den Petersplatz zu kommen. Aber mein vollautomatisierter
Rollator muss zuweilen bewegt werden. Die Vorlesungen und die Bibliotheksbestände
sind alle von zu Hause abrufbar. Die Ewigkeit ist zum Homeoffice mutiert und umgekehrt. Auch habe ich mein eigenes Fablab und neuerdings sogar ein Mini Wasserstoff-AKW zuhause, so dass ich fast gänzlich autark bin.
Schon spricht man vom Menschen als Robo Sapiens. Die virtuelle Welt verschmilzt immer mehr mit der realen Welt. Aber wer weiss schon genau, was denn nun Realität ist oder nicht. Von meinen Büchern konnte ich mich trotzdem nicht trennen. Sie stehen in einem Lagerraum in Basel. Nun verraten sie nicht mehr, wer ich bin. Nur Mika weiss es…
Ja, manchmal fehlt mir eine community wie früher, aber die neuen Drogen sind auch nicht schlecht. Eigentlich haben es die ewigen Impfverweigerer viel besser. Sie wurden zwar gesellschaftlich ausgegrenzt, aber ihr soziales Leben scheint viel konkreter und lebendiger.
Digitale Transformation ist, wenn man trotzdem lacht!
von MJ
